18.12.14

Wie steht's um die Staatsbürger_innenschaftspolitik in Österreich?


Dass Gesetze bei so genannten "Menschen mit Migrationshintergrund" nicht immer eingehalten oder anders ausgelegt werden, ist für uns Beraterinnen der Initiative Ehe ohne Grenzen leider keine Neuigkeit mehr. Doch manchmal läuft der Staat Österreich zu Höchstformen auf:
 
Caroline wurde in den 90er Jahren gemeinsam mit ihren Eltern in Österreich eingebürgert, lebt seither auch hier und hat einen österreichischen Partner. Anfang des Jahres 2014 wurde ihr gemeinsames Kind in Kärnten geboren. Es sollte klar sein, dass auch dieses Kind die österreichische Staatsbürgerschaft ohne Probleme und automatisch erhält, zudem es auch seit August 2013 ein neues Gesetz gibt, dass dem österreichischen Vater eines unehelichen Kindes die Möglichkeit gibt, seine Staatsbürgerschaft auf das Kind zu übertragen, wenn er innerhalb von acht Wochen entweder die Vaterschaft anerkennt oder seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.
Doch Caroline und ihr Partner wurden eines Besseren belehrt. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft wollte tatsächlich die Staatsbürgerschaftsnachweise ihrer Eltern, also von den Großeltern des Kindes, um das Kind als österreichische_n Staatsbürger_in zu akzeptieren.

Das Thema „Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft“ ist derzeit ohnehin ein Brennpunkt im österreichischen Parlament. Seit Oktober wird dazu ein Antrag der Grünen bezüglich Doppelstaatsbürgerschaft für Kinder von Nicht-Österreicher_innen diskutiert. Es gab bereits ein Staatsbürgerschafts-Hearing im Innenausschuss, bei dem Expert_innen zu Wort kamen und sich für eine Modernisierung dieser Gesetze aussprachen. "Das sind Kinder ohne Migrationserfahrung, die in Österreich zu Hause sind und das Heimatland ihrer Eltern meist nur vom Urlaub her kennen", betonte die Leiterin des Wiener Beratungszentrums für Migranten und Migrantinnen Dunja Bogdanovic-Govedarica. Konkret fordern die Grünen, dass hierzulande geborene Kinder von Drittstaatsangehörigen automatisch Österreicher_innen sind, wenn mindestens ein Elternteil seit fünf Jahren niedergelassen ist. Im Vorjahr gab es bereits die Bürger_inneninitiative „Alle Kinder sind unsere Kinder!“, die eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes forderte.

In Deutschland einigte sich die Regierung im März dieses Jahres, dass dort geborene Kinder nicht-deutscher Eltern in Zukunft auf Dauer zwei Pässe behalten dürfen.

Ebenso im Oktober fand im Haus der Europäischen Union in Wien die Diversity Media Week 2014 von MMedia statt. Am zweiten Tag wurde eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Doppelstaatsbürgerschaft für Kinder ausländischer Eltern“ durchgeführt. Am Podium waren u.a. Gerd Valchars, Politikwissenschafter an der Uni Wien und Alev Korun, Nationalratsabgeordnete der Grünen. Gleich als Einführung wurde die Situation in Österreich im internationalen Vergleich offen dargelegt und es wurde deutlich, dass die Gesetze in Österreich hierbei als besonders restriktiv gelten.

Immer wieder wird versucht mittels verschiedener Indizes die Staatsbürgerschaftspolitiken von Staaten zu vergleichen. Laut eines Befundes des Migrant Integration Policy Index (Mipex) im Jahr 2011 erreichte Österreich hier lediglich 22 von 100 möglichen Punkten, wobei 0 Punkte sehr restriktiv bedeutet. Von 31 untersuchten Staaten bewegt sich Österreich also an viertletzter Stelle.

Im Klartext: Mit Kriterien wie einem zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt, Unbescholtenheit (selbst mehrmalige Verwaltungsstrafen zählen hier mit), Selbsterhaltungsfähigkeit (rund 1.000 Euro im Monat) und gute Deutschkenntnisse schneidet Österreich im EU-Vergleich nicht gut ab. Als EU-Schnitt gelten 44 Punkte, Deutschland erreicht beispielsweise 59 Punkte. Je nach Bundesland fallen für das Erlangen der österreichischen Staatsbürgerschaft zusätzlich noch Gebühren zwischen 1.220 und 2.500 Euro an, unleistbar für viele.

Das geltende „ius sanguinis“[1] wird besonders bei in Österreich geborenen Kindern von Nicht-österreicher_innen zur Absurdität: Laut Valchars werden in Österreich täglich 38 Kinder geboren, denen die österreichische Staatsbürgerschaft fehlt. Langfristig gesehen wird das zum Problem: bei Schulreisen, Auslandsaufenthalten zu Ausbildungszwecken, einer Lehrstellen- oder Jobsuche zum Beispiel. Und natürlich demokratiepolitisch gesehen, da diese Kinder später einmal nicht wahlberechtigt sind.

Ehe ohne Grenzen beobachtet die derzeitige Diskussion rund um Doppelstaatsbürgerschaften und ist grundsätzlich für eine Erleichterung, besonders was Kinder binationaler Paare betrifft. Bei der momentanen Regelung kann es zu Ungerechtigkeiten kommen, denn durch den Verzicht auf die nicht-österreichische Staatsbürgerschaft kann im jeweils anderen Land u.U. jeglicher Besitz oder das Erbrecht verloren gehen. Österreich hat sich durch die Unterzeichnung eines Europarats-Übereinkommens in den 60er-Jahren zu einer Vermeidung von Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaften verpflichtet, der Trend in Europa geht derzeit dennoch in eine andere Richtung. Neben Österreich ist dieses Übereinkommen nur noch in Norwegen und den Niederlanden aufrecht.

Ehe ohne Grenzen befürwortet ebenso die Forderungen der Grünen, das Geburtslandprinzip im Staatsbürgerschaftsgesetz zu verankern und Doppelstaatsbürgerschaften zu ermöglichen, sowie Einbürgerungshürden für Kinder aus binationalen Ehen abzuschaffen. Kinder sollen automatisch als Österreicher_innen zur Welt kommen, wenn zumindest ein Elternteil seit mindestens einem Jahr einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat.

Es ist unklar, wie viele Menschen in Österreich eine Doppelstaatsbürgerschaft haben. Bei der Volkszählung 2011 waren es laut Statistik Austria 55.066 Personen.




Derzeitige Gesetzeslage zur Doppelstaatsbürgerschaft bei Kindern

Wenn verheiratete Eltern unterschiedliche Nationalitäten (österreichische und eine andere) haben und im Herkunftsland des fremden Elternteils auch das Abstammungsprinzip (wie in Österreich) gilt, ist das Kind Doppelstaatsbürgerin/Doppelstaatsbürger. Nach österreichischem Recht muss sich das Kind mit Volljährigkeit nicht für eine Staatsangehörigkeit entscheiden – es kann jedoch sein, dass der andere Staat eine Entscheidung verlangt.
Uneheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft nach der Mutter. Sie erwerben mit der Geburt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt österreichische Staatsbürgerin ist, ohne dass auf die Staatsangehörigkeit des unehelichen Vaters Rücksicht genommen wird. Allerdings kann sich aufgrund des Geburtsortes des Kindes eine Doppelstaatsbürgerschaft ergeben.
Seit 1. August 2013 gilt folgende Regelung: Ist nur der Vater eines unehelichen Kindes österreichischer Staatsbürger, die Mutter aber Staatsangehörige eines anderen Staates, erwirbt das Kind die Staatsbürgerschaft durch Abstammung, wenn der uneheliche österreichische Vater innerhalb von acht Wochen entweder die Vaterschaft anerkannt hat oder seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde. Für jene Fälle, in denen erst nach diesem Zeitpunkt das Anerkenntnis vorgenommen wird oder die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erfolgt, können die Kinder die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen durch Verleihung erwerben.

(Quelle: help.gv.at)


[1]    Ius sanguinis bezeichnet das Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an Kinder verleiht, deren Eltern (oder mindestens ein Elternteil) selbst Staatsbürger_in dieses Staates sind. Es wird daher auch Abstammungsprinzip genannt (Wikipedia).

01.12.14

„Wo ham‘S denn das Kind her?“


Die Ampel ist rot, Magdalena steht mit ihrer dreijährigen Tochter Mariama am Gehsteig und wartet auf das grüne Licht, als ein Mann beim Vorbeifahren das Autofenster hinunterkurbelt und schreit: „A wo ham‘S denn das Kind her?“ Magdalena ist wie vor den Kopf gestoßen, wie üblich, und das Hirn arbeitet zu langsam, um schnell etwas hinterherzuschreien, außerdem ist das Auto längst weg.
 
Langsam steigt der Ärger in ihr auf und wird immer stärker, ihre Tochter hat zum Glück überhaupt nichts mitbekommen, sie ist mit ihrem Luftballon beschäftigt, den sie gerade geschenkt bekommen hat.
Leider ist es nicht das erste Mal, dass Magdalena mit solchen Äußerungen konfrontiert wird, und es wird sicher auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Magdalena ist 29, kommt aus Kärnten und lebt dort mit ihrem Mann Sam, 30, den sie während ihres Auslandsstudiums in Kenia kennengelernt hat. Die Entscheidung, mit ihrer Familie in Österreich zu leben, hinterfragen die beiden immer wieder, und in solchen Momenten wissen sie, warum. Wobei es noch Schlimmeres gibt, wie zum Beispiel Kommentare im Einkaufszentrum, in dem sie eine Frau hasserfüllt anrempelt und mit einer N-Beschimpfung konfrontiert. Dagegen scheint es fast harmloser zu sein, wenn Magdalena in einem Fortbildungskurs von ihren Kolleg_innen gefragt wird, ob ihr Kind denn ein „Mischling“ sei, nachdem ihr Mann aus Kenia kommt.

Neben allen anderen Herausforderungen, mit denen Magdalenas binationale Familie konfrontiert ist - sei es die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die Pflicht zur Erfüllung des Einkommensnachweises, die Pflicht zur Ablegung des Deutschtests auf B1 Niveau - wenn Sam eine Niederlassungsbewilligung bekommen will, die länger als drei  Jahre gültig ist – sind das die Momente, in denen ihr klar wird, dass sie durch ihre Heirat mit einem sogenannten Drittstaatsangehörigen offenbar aus einer Gruppe ausgestoßen wurde, zu der sie vorher unhinterfragt gehört hat: jener der Mehrheitsösterreicher_innen, die im Glauben lebt, die Welt sei so in Ordnung, wie sie einem in der Schule beigebracht wurde: Österreich ist ein demokratischer Staat, der gerecht ist und zumindest „uns“ alle gleich behandelt.

Das stimmt, unter folgenden Voraussetzungen: Werde geboren als weiße/r Österreicher_in, halte dich an alle Gesetze und vor allem, heirate ja keine/n Ausländer_in!

Die Welt dreht sich zum Glück weiter, und auch in Österreich entwickelt sich langsam das Bewusstsein, dass das Aussehen nicht Maß aller Dinge sein kann. So ist das Gleichbehandlungsgebot in Österreich gesetzlich verankert, das besagt, dass grundsätzlich niemand aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung oder Behinderung benachteiligt werden darf. Um dieses zu exekutieren gibt es die Gleichbehandlungsanwaltschaft, an die man sich im Falle einer Diskriminierung wenden kann.

Das hat Magdalena schon getan, nämlich als ihr und ihrem Mann eine Wohnung mit der Begründung verweigert wurde, ihr Mann sei ja Ausländer und sollte der „abhauen“, dann wäre ihr die Wohnung vielleicht zu teuer. Magdalena gewann das Verfahren und ihnen wurde ein Schadenersatz in der Höhe von 1000 Euro zugesprochen – ein kleiner Erfolg im Kampf gegen das rigide Kastldenken so mancher Mitbürger_innen.


Familie ohne Grenzen fordert, dass das Recht auf Gleichbehandlung, wie es auch in der UN-Kinderrechtskonvention verankert ist, bedingungslos eingehalten wird: Kein Kind darf benachteiligt werden - sei es wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Staatsbürgerschaft, seiner Sprache, Religion oder Hautfarbe, einer Behinderung oder wegen seiner politischen Ansichten!

Von der österreichische Bevölkerung fordert Familien ohne Grenzen Folgendes: Sagen Sie einem Kind, das Sie nicht kennen, nur das, was Sie sich dem österreichischen Bundespräsidenten aus Anlass einer zufälligen Begegnung zu sagen trauen würden!