12.02.15

Leben mit dem Fremdenrecht


Ein Gastbeitrag von Ehe ohne Grenzen für den Blog umstandslos.

Sich als Österreicher_in in eine_n Drittstaatsangehörigen zu verlieben, stellt man/frau vor Herausforderungen, die sich in den kühnsten (Alb)Träumen niemand vorstellen kann. Nein, das soll keineswegs ein Appell sein, dies nicht zu tun, sich vom Aufenthaltsstatus des anderen von irgendetwas abhalten zu lassen. Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, die alltäglichen Sorgen zu beleuchten, die eins als binationales Paar hat, vor allem mit Kindern.

Sind die ersten Schritte getan, nämlich überhaupt erst einmal zu heiraten und für den_die ausländische_n Ehepartner_in einen Aufenthaltstitel zu erkämpfen, ist schon viel geschafft: es ist geschafft, die notwendigen Papiere zu besorgen, und zwar in Österreich und im jeweiligen Herkunftsland des Partners/der Partnerin, diese übersetzen und beglaubigen zu lassen und zu entscheiden, in welchem Land geheiratet wird – falls überhaupt eine Entscheidungsmöglichkeit gegeben ist. Es wurde JA gesagt, gefeiert (hoffentlich) und sich nach kurzer Freude erneut aufgerafft, um den nächsten Behördengipfel zu erklimmen: den „Aufenthaltstitel Familienangehörige_r“ für seine_n Angetraute_n zu beantragen. Dafür hat der/die österreichische Ehepartner_in das erforderliche Einkommen von rund 1.308 Euro netto alleine aufgebracht, genügend Wohnraum nachgewiesen, beide haben bewiesen, dass keine Vorstrafen und keine Schulden vorhanden sind. Der/die nichtösterreichische Partner_in hat es geschafft, ein A1-Deutschprüfungszeugnis zu bekommen – oft vom jeweiligen Herkunftsland aus, in dem es wahrscheinlich gar kein zertifiziertes Prüfungsinstitut gibt. Außerdem haben es die Mitarbeiter_innen der österreichischen Behörden nicht geschafft, das Paar zu entmutigen und der Papierstoß von gefühlten 500 A4-Seiten ist abgegeben – nachdem das Formular ausgefüllt wurde und man/frau es geschafft hat, von den vielen angegebenen Aufenthaltstiteln den richtigen anzukreuzen.

Ist das alles erledigt, kann aufgeatmet und versucht werden, den Alltag aufzunehmen. Spätestens nach einem Jahr wird das Paar jedoch wieder an seine Pflichten erinnert: der Aufenthaltstitel läuft ab und muss erneut beantragt werden. Im besten Fall hat der/die ausländische Partner_in in der Zwischenzeit Arbeit gefunden, denn zu zweit ist das geforderte Mindesteinkommen leichter aufzubringen. Kommen nun Kinder dazu, erhöht sich die vom Staate Österreich geforderte Summe um 134,95 Euro pro Monat und Kind.

Damit ist es jedoch nicht getan, innerhalb von zwei Jahren muss der ausländische Elternteil nun einen Deutschtest auf A2-Niveau bestehen, um den Aufenthaltstitel verlängert zu bekommen. Gelingt das, wird ein Visum für drei Jahre ausgehändigt. Soll daraus ein unbefristetes Visum werden, muss eine Deutschprüfung auf B1-Niveau nachgewiesen werden. Soll es die Staatsbürgerschaft sein, müssen zusätzlich drei Jahre hindurch beide Ehepartner_innen immer ausreichend verdient haben, es darf keine Vorstrafen (Schnellfahren zählt auch) geben und ein Staatsbürgerschaftstest ist zu bestehen. Das alles aber erst – so einfach ist das ja nicht – nach mindestens 6 Jahren legalen Aufenthalts in Österreich und fünf Jahren aufrechter Ehe, in den meisten Fällen fremdenpolizeilich überprüft: also die Ehe, ob sie wohl keine Aufenthaltsehe ist (mittels Inspektion der Zahnbürsten, Bettwäsche, schmutzigen Unterhosen und intimer Befragung sowie Nachforschung bei den Nachbar_innen).
Im Klartext bedeutet das: ständige Angst vor Arbeitslosigkeit, den Zwang, JEDEN Job anzunehmen bzw. zu behalten, Angst vor Krankheit, da diese zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen kann, großen Leistungsdruck, da das Nicht-Bestehen der Deutschprüfung zum Verlust des Aufenthaltstitels führen kann. Und nein, hat das Paar Kinder, hilft das gar nichts. Dadurch wird das Recht auf Aufenthalt in Österreich nicht gewährleistet, selbst wenn die Kinder österreichische Staatsbürger_innen sind. Das heißt nein, in Österreich haben Kinder nicht das Recht auf beide Elternteile.

Das heißt ja, die Fremdengesetze leisten ganze Arbeit. Sie erfüllen ihren Zweck. Leute mit keiner oder geringer Schulbildung, ohne Arbeit, Menschen mit Behinderung, Menschen, die krank sind und nicht arbeiten können, Studierende, Menschen mit (zu) vielen Kindern und (zu) wenig Einkommen wird durch diese Gesetze das Recht verwehrt, mit dem Vater/der Mutter ihrer Kinder in Österreich leben zu können.

Doch verwunderlicherweise gibt es trotzdem noch viele Menschen, die es schaffen, diese Auflagen zu erfüllen und hier in Österreich mit ihren Familien zu leben. Vielleicht sind eines Tages alle Familienmitglieder österreichische Staatsbürger_innen, fast schon ein aufgezwungenes Ziel. Sie müssen dann nur noch mit Dingen wie Alltagsrassismus kämpfen. Verglichen mit den Jahren, als das Damoklesschwert der Zwangstrennung der Familie über ihnen hing, erscheint das dann fast wie ein Klacks. Bis es wieder passiert, dass das eigene Kind beschimpft wird, dann wird der Klacks zur Sonnenfinsternis.

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