Wie „Arbeitsüberlastung“ der
MA35 und „Sorge“ der Gebietskrankenkasse bzw. des Finanzamts um
Österreichisches Steuergeld binationale Familien diskriminiert und
in Große Not stürzen kann. Hier eine exemplarische Geschichte:
Victoria F. stammt aus einem
afrikanischen Land und ist mit einem Österreicher verheiratet. Sie
haben drei Kinder – damals acht und fünf Jahre alt, das jüngste
zwei Monate. Alle drei Kinder sind österreichische
Staatsbürger_innen.
Anfang Februar eines Jahres* stellte Frau F. einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels „Familienangehörige“ bei der zuständigen MA35 – dafür erhielt sie eine Einreichbestätigung. Gleichzeitig stellte sie auch einen Antrag auf Kinderbetreuungsgeld bei der Gebietskrankenkasse und einen auf Familienbeihilfe beim Finanzamt.
Die Krankenkasse sowie das Finanzamt
lehnten den jeweiligen Antrag ab mit der Begründung, dass sie zur
Zeit keine gültige Aufenthaltskarte besitze und die
Einreichbestätigung der MA35 nicht genüge. Außerdem stellte das
Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe für die beiden älteren
Kinder ein.
Frau F. war vor der Geburt ihres
dritten Kindes einige Jahre berufstätig, zahlte somit Lohnsteuer und
Sozialversicherung. Der Wegfall ihres Beitrags zum Familieneinkommen
und der gesamten Familienbeihilfe stürzte die Familie in große Not.
Das älteste Kind musste vom Hort abgemeldet werden, da ohne gültige
Aufenthaltskarte auch keine ermäßigte Hortgebühr beantragt werden
konnte. Herr F. musste „Wiener Wohnen“ um Stundung der Miete
bitten, da sein Gehalt allein gerade für die allernotwendigsten
Dinge reichte.
Während dieser Zeit starben der Vater
und ein Bruder von Herrn F. Was - außer der Trauer um den Verlust
geliebter Menschen - nochmals eine zusätzliche finanzielle Belastung
bedeutete: für Begräbnis- und Reisekosten musste er sich EUR 3000,-
von Freund_innen ausleihen.
Auf mehrmaliges persönliches
Nachfragen bei der MA35 wurde Frau F. erklärt, dass sie sich wegen
Arbeitsüberlastung der MA35 auf eine längere Wartezeit einstellen
müsste. Als Frau F. erfuhr, dass die MA35 sechs Monate Zeit für die
Bearbeitung habe, wandte sie sich im Mai verzweifelt an die
Volksanwaltschaft, von der sie folgende Antwort erhielt:
Zitat aus dem Brief der
Volksanwaltschaft:
„Der Volksanwaltschaft ist diese Problematik aus mehreren anderen Beschwerdefällen bekannt.
Diese Vorgangsweise entspricht nach Ansicht der Volksanwaltschaft nicht der geltenden Rechtslage: Anspruch auf Familienbeihilfe für nicht-österreichische Staatsbürger_innen besteht, wenn sich der antragstellende Elternteil und das Kind nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Dies gilt entsprechend für das Kinderbetreuungsgeld (…) auch wenn die Entscheidung über den Verlängerungsantrag noch aussteht. Sie (nicht-österr. Staatsbürgerin) behalten vorläufig ihren Status. Der abgelaufene Aufenthaltstitel vermittelt also weiterhin alle diesbezüglichen Rechte – so auch den Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld. Die Familienleistungen sind daher laufend weiter zu gewähren.
Die Volksanwaltschaft hat daher (...) eine Missstandsfeststellung beschlossen. Dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) wurde darin die Empfehlung erteilt, Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld … auch während der Dauer des fremdenrechtlichen Verlängerungsverfahrens zu gewähren. Das BMWFJ entsprach dieser Empfehlung leider dennoch nicht. Es könne nicht auf das Formalerfordernis einer aktuellen NAG-Karte verzichtet werden.Damit sollen unnötige Rückforderungen vermieden und ein ökonomischer und effizienter Vollzug sichergestellt werden.“
Mitte Juli, also
etwa fünf Monate nach Antragstellung erhielt Frau F. endlich ihre
Aufenthaltskarte. Kindergeld und Familienbeihilfe wurden rückwirkend
ausbezahlt. Der Großteil davon musste aber sofort zum Begleichen der
angefallenen Schulden wieder ausgegeben werden.
Die Kinder der
Familie F. haben weitgehend unbeschadet diese Notsituation
überstanden. Jedoch, wie es fühlt sich für ein achtjähriges Kind
an, wenn es nicht mehr seine Freund_innen im Hort sehen kann und
keine deutschsprachige Hilfe für seine Hausübungen hat? Wenn nur
das billigste Essen auf den Tisch kommt, jede Anschaffung ein
riesiges Problem wird und die Eltern wie lästige Bittsteller_innen
behandelt werden?
EOG fordert
daher: Auch wenn die Entscheidung über den Aufenthaltstitel eines
Elternteils aussteht, Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe
stehen allen Kindern zu!
Schluss mit
dieser verantwortungslosen Praxis!
__________
* Die Daten wurden von uns anonymisiert. Jahreszahl und Familienname sind EOG bekannt.
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